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6. Juli bis 26. August 2007 |
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Yonggang Liu Guandong (China) und Berlin
YIN und YANG
Kalligraphie in Skulpturen und Bildern
Vernissage:
Donnerstag, den 5. Juli 2007, 19.00 Uhr
Grußwort: Dong Junxin,
Gesandter Botschaftsrat für Kultur der Volksrepublik China
Einführung: Dr. Melanie Franke,
Kunsthistorikerin und Kuratorin, Berlin
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Dr. Melanie Franke zur Eröffnung der Ausstellung am 5. Juli 2007
Umgeben von Werken fernöstlicher Kultur, denen des chinesischen
Künstlers Yonggang Liu, bewegen wir uns in der Betrachtung auch
in eine ebensolche Richtung, in die Chinas und damit bewegen wir
uns auch auf die Ebene der Symbole jener Kultur. Insbesondere
Drache und Vogel prägen das Werk Yonggang Lius und tauchen in
vielfältigen Varianten, zumeist als kalligraphische Lineamente,
immer wieder auf. Der Künstler bewegt sich in seinem ?uvre
zwischen der Tradition des alten Chinas, indem er sich auf das
I Ging, einen der ältesten chinesischen Texte, bezieht
und dessen Grundidee der Balance von Yin und Yang mit der
Kalligraphie zur Anschauung bringt. Zugleich machen sich
Merkmale europäischer Kultur bemerkbar, denn Yonggang Liu
studierte an der Kunstakademie in Nürnberg und es war seine
Verehrung für einen Vertreter der europäischen Moderne, für Max
Beckmann, die Ihn vor gut 15 Jahren nach Deutschland führte. Max
Beckmann vermochte durch Symbole und Zeichen, zumeist der
christlichen Ikonographie, die Wirklichkeit in die Kunst quasi
verschlüsselt hinüberzuretten.
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Herr Dong Junxin, Gesandter Botschafts-rat für Kultur der
Volksrepublik China |
Yonggang Liu
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Dr. Melanie Franke, Kunsthostorikerin
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Gleiches kann für Yonggang Liu gesagt werden, denn auch er
bedient sich immer wieder der Symbole Drache und Vogel, welche
den Dualismus der chinesischen Philosophie verkörpern: Ich meine
Yin und Yang. Yin und Yang werden mit vielerlei Gegensätzen
belegt, so steht Yin für das Weibliche, Empfangende und Weiche,
dem gegenüber steht Yang für das Männliche, Aktive und Harte.
Allerdings werden diese Pole nicht als Gegensätze empfunden
sondern als einander ergänzend, sie spielen ineinander. Gleiches
kann für die Zeichen Vogel und Drache von Yonggang Liu gesagt
werden, das eine ist ohne das Andere nicht denkbar, fordert
geradezu seinen scheinbaren Widerpart heraus. Sie können auch
als Bilder dessen aufgefasst werden, was im Himmel und auf der
Erde passiert, als Geist und Materie. Insbesondere die
großformatigen Plastiken »Liebe und Umarmung« symbolisieren die
buchstäbliche Verschmelzung der beiden Urkräfte Yin und Yang,
indem diese in Gestalt erfundener Zeichen eine Einheit bilden.
Sie zeigen das Zugleich von scheinbar einander Ausschließendem,
visualisieren das alles umfassende Prinzip, welches sich auf das
I Ging der chinesischen Philosophie zurückführen lässt.
Nachgelesen habe ich, dass das I Ging (Buch der
Wandlungen) als einer der ältesten chinesischen Texte gilt, in
dem die Welt in 64 Bildern geschildert wird, die allesamt aus
Hexagrammen bestehen, die wiederum von der Unterschiedlichkeit
ihrer Formen den Gegensatz von fest und weich verkörpern. Nach
dem Verständnis des I Ging ist die Welt ein nach
bestimmten Gesetzen ablaufendes Ganzes, dessen Formen aus der
unentwegten Wandlung polarer Urkräfte, dem Yin-Yang-Prinzip
hervorgehen. Es geht um die Vorstellung von einem
kontinuierlichen Werden, von etwas Unabschließbaren, um das
Leben selbst.
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Eröffnungspublikum |
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Ich möchte an dieser Stelle auf Henri Bergson verweisen, dessen
Begriff elan vital unentwegtes Werden verkörpert, als
nicht umkehrbare Folge von Ereignissen, demnach jeder Moment
etwas Einmaliges und Unwiederholbares sei. Als wäre der elan
vital das Leben selbst, die Kraft, die sich hinter aller
Materie befindet und Bewegung bewirkt, die sich im Prozess
kontinuierlichen Werdens und einer generellen Vitalität
ausdrückt. Nach Bergson entsteht das Leben nicht aus der
Materie, sondern wirkt dieser entgegen, wirkt Trägheit und
Zerfall zuwider. So gelangt man mit dem elan vital zu
immer freieren, geistigen Formen. In dieser Vorstellung wird das
Bild zu einer Spur von Handlung, eines gelebten Augenblicks, des
elan vital. Schließlich trifft im elan vital die
chinesische Weltanschauung und Ästhetik mit der Europäischen
zusammen, welche Yonggang Liu mit seinem ?uvre verkörpert.
Für den elan vital stehen die Motive Drache und Vogel,
tatsächlich sind es sich umarmende Paare, für deren Bewegungen
und Anmutung der Künstler mit kalligraphischen Impulsen Formen
findet. Traditionell sind die Grundelemente der Kalligraphie,
das linear-strukturierte Zeichen, Träger von Bedeutung; es ist
eine eigene, komplexe Schrift. In China wird die Kalligraphie
als Kunst des Schönschreibens von Hand als die höchste Kunst
angesehen, sie rangiert noch vor der Malerei. Gleichwohl sind
deren Merkmale, die der Kalligraphie und die der gestischen
Malerei scheinbar ähnlich. Schließlich sind sowohl der gestische
Pinselstrich wie das kalligraphische Zeichen gleichsam Spuren
von Handlungen. Dabei gibt es zahllose Möglichkeiten den Pinsel
in der Hand zu halten, diese willfährig oder konzentriert über
die Fläche zu streifen. Allein die Art und Weise wie die Feder
bei der Kalligraphie oder der Pinsel in der Malerei auf die
Fläche treffen - Winkel, Geschwindigkeit und Haltung der Hand –
sind gleichsam bedeutungsvoll und ermöglichen zahlreiche
Formationen. Solche, in denen sich die Richtung der pulsierenden
Linie ad hoc ändert, spitze Winkel laufen zu oder Spiralformen
winden sich. In der Betrachtung muss das Auge ebenso plötzliche
und heftige Bewegungen machen, und die Bildelemente werden zur
Quelle der Kraft und Dynamik.
Als Ausdruck eines tiefen Gefühls nimmt die Linie Formen an.
Allerdings sind es keine apriorischen Formen, die nach logischen
Gesetzmäßigkeiten komponiert sein könnten. Vielmehr passiert die
Gestalt förmlich aus einem gefühlsmäßigen Erfassen, aus dem
Augenblick heraus. Es entstehen fließende Formen aus der reinen,
intuitiven Anschauung. Der Prozess des Schreibens und Malens
selbst gewinnt eine Präsenz und rückt ins Zentrum der
Anschauung. Wie mit der Kalligraphie wurde auch mit der
gestischen Malerei, der Versuch unternommen, das Leben durch die
?lebendige Linie? wiederzugeben und so dem ephemeren Sein eine
dauerhaftere Form zu verleihen. Schließlich geht es in den
Arbeiten von Yonggang Liu um die Zeit als Phänomen selbst, sei
es in Form fließender kalligraphischer Zeichen, in Gestalt ewig
währender Materialien (Marmor) oder in Gestalt zerbrechlichen
Porzellans.
© bei der Autorin
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