.











Schnellsuche im Bestand




 

3. April bis (verlängert) 7. Juni 2009

Ronald Paris – Ein Realist
Malerei und Zeichnungen

Vernissage: Donnerstag, den 2. April 2009, um 19 Uhr
Es spricht: Klaus Tiedemann,
Kunsthistoriker, Rostock

3. Juni 2009, 18 bis 22 Uhr
Begegnung mit dem Künstler

Rubriken
IntroTafelbilder I l Tafelbilder II l Gouache/Zeich-nung l Bücher l Biografie l Vernissage l Medienecho

rechts: Stilleben in Weißensee, 1954 (Ausschnitt)

Vernissage

 

weitere Rubriken: blättern

 

Ronald Paris – Ein Realist – Malerei und Zeichnungen
Ausstellungseröffnung Galerie am Gendarmenmarkt, Berlin am 2. April 2009

Im vergangenen Jahr konnte man in Ausstellungen in Sondershausen, seiner thüringischen Geburtsstadt, in Schwerin und Potsdam Einblicke in das künstlerische Lebenswerk von Ronald Paris gewinnen, das der Maler selbst unter das Motto »Lob des Realismus« gestellt hatte. Und auch ein Jahr später am Berliner Gendarmenmarkt lautet der Untertitel der Exposition »Ein Realist«.
In diesem selbstbewusst-trotzigen Bekenntnis wird eine künstlerische Haltung angemahnt, die im vergangenen Jahrhundert, dem 20., und bis heute immer mal wieder angezweifelt, als unzeitgemäß verschrien und als ausgedient abgetan wurde. Für die bundesdeutsche Kunstszene der 2/3 Jahrzehnte nach 1945 benennt man das inzwischen als das »Diktat der unverbindlichen Ungegenständlichkeit der Nachkriegsjahre«. Wer jene Retrospektive zum 75. Geburtstag des Malers Ronald Paris über fünf Jahrzehnte seines Schaffens betrachtete, gab seinem Beharren Recht: Mit der Bildsprache des figurativ Gegenständlichen, dem Formenkanon aus Dingwelt und Natur, lassen sich Botschaften über den Menschen an den Menschen vielschichtig und am eindringlichsten vermitteln. Ein hoher humanistischer Anspruch, »Werte von großer Allgemeingültigkeit«, wie Paris es für sich benannt hat, sind seinem Schaffen immanent. Dabei hat ihn sein Sinn für die Widersprüche und Konflikte der Historie und unserer Zeit und für deren dramatische Kulminationen immer besonders herausgefordert: »Ich muß auf wesentliche Vorgänge aktiv reagieren«. Sein Zwang zur Aussage, zur Mitteilung, der Wille und die Fähigkeit sich darzustellen, wurden ihm häufig attestiert. So war und ist dieser Maler als Künstler stets ein politischer Mensch, ist Kunst für ihn anteilnehmende, d. h. Partei ergreifende Weltbetrachtung. Der dramatische Wandel der Zeitläufe hat ihn darin eher bestärkt als beirrt.

Paris hat schon als junger Maler bekannt, dass für ihn alles malbar sei, was ihn bewege. Hauptsache sei, dass er sein Anliegen in einer gültigen Entsprechung loswerde. Immer strebt er eine geistige Verdichtung durch Ideenreichtum und Formerfindung« an. So hat es endgültig festgelegte Normen seines Realismus nie gegeben. Die bildnerische Form, die Gestaltungsmittel richten sich für ihn danach, eine entsprechende humanistische Aussage zu erreichen, die das Werk erst als Kunstwerk legitimiert: »Die Aussage rechtfertigt die Mittel«. Dieser Punkt erscheint ihm dann erreicht, wenn Farbe und Form sich mit dem Geistigen vereinen, egal ob es sich um ein Stillleben oder eine Landschaft, ein Porträt, eine thematische Figurenkomposition oder um ein monumentales Wandbild handelt.

Schaut man heute auf dieses halbe Jahrhundert malerischer Arbeit, sind diese Ansprüche, die Prozesse und Wandlungen im Realismus dieses Oeuvres bemerkenswert. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass es sich hier weitgehend um ein Kapitel ostdeutscher Gegenwartskunst handelt, über vier Jahrzehnte lang um »Kunst der DDR« und somit um politische und gesellschaftliche Ideale, Sichtweisen und Doktrinen, auch Utopien, die Reibungsflächen genug boten für differenzierte Ausprägungen realistischer Kunst zwischen Berliner und Leipziger Schule und dem Sensualismus Dresdner Prägung, zwischen den Ateliers in den vermeintlichen gesellschaftlichen Rückzugsfeldern entlang der Ostseeküste oder im Erzgebirge. Wenn man Ronald Paris in seiner malerisch-stilistischen Entwicklung kaum jemals eindeutig einer Gruppierung zuordnen kann, letztlich begrenzt im Frühwerk der Berliner Schule, spricht auch das für seinen individuellen Drang nach originären Themen, Form- und Ausdrucksmitteln. 1983 bescheinigte Lothar Lang dem Maler zum 50. Geburtstag in der »Weltbühne« ein Beispiel für den »spezifischen Realismus« in der DDR zu sein. Von »sozialistisch« war da schon nicht mehr die Rede.

Wenn es eine ursprüngliche geistige Heimat seines künstlerischen Selbstfindungsprozesses gibt, so sind das jene Ostberliner Jahre seit dem Weißenseer Studium bei seinem Lehrer Kurt Robbel und dessen linear-plastischen Malstil, den Begegnungen als Meisterschüler der Akademie der Künste mit Otto Nagels »Proletarischem Realismus« und mit dem italienischen »Realismo« seines väterlichen Malerfreundes Gabriele Mucchi. Es sind der frühe künstlerische Freundeskreis um seine Studienkollegen Horst Zickelbein, Rolf Schubert und Hans Vent und das Eintauchen in eine für die frühe DDR unvergleichliche Ostberliner Kultur- und Kunstszene der Philosophen und Dichter, der Theater und Schauspieler; Brechts dialektisches Theater der Verfremdung, die poetischen Weltsichten Günter Kunerts, Sarah und Rainer Kirschs, die Systemkritik des Liedermachers Wolf Biermann und des Philosophen Robert Havemann, später dann Heiner Müller mit seinem Welttheater. Paris hat das in freundschaftlicher Verbundenheit erlebt, hat daran teilgenommen und die Protagonisten in differenzierten Porträts charakterisiert. Das dialektische Hinterfragen von Realität und gesellschaftlichen Zuständen wurden da genauso angeregt, wie die Ausbildung inszenatorischer Strukturen bildkünstlerischer Umsetzungen auf Papier und Leinwand.

Damit begann auch ein Loslösungsprozess nach einer ersten Periode malerischer Wegsuche aus dem sogenannten linear-plastischen Stil seines Lehrers Kurt Robbel mit ihrer schlichten Körpertektonik, disziplinierten Bildstrukturen und kompositionellen Strenge, die sich in den additiven, konstruktiv-monumentalisierenden Ordnungsgefügen der Berliner Stadtlandschaften und Stillleben der frühen Jahre verdeutlichen. Als Höhepunkt dieser ersten Werkphase kann wohl das »Komplexbild« der »Dorffestspiele in Wartenberg« 1961 gelten, dass einerseits eine Auflösung der malerischen Strenge des Frühstils andeutet, zum anderen eine Entwicklung zum »großen Thema«, zu vielschichtiger Wirklichkeitsinterpretation historischer Dimension in den späteren monumentalen Wandbildern ankündigt. Die Beschäftigung mit der Klassischen Moderne, mit Max Beckmann und Otto Dix, Pablo Picasso und Fernand Leger fand erste formale Verarbeitung.

Der allmähliche Wechsel zu einem freieren Malduktus, bewegteren Bildstrukturen, expressiver Farbigkeit und einer Dynamisierung der kompositorischen Ordnungen in häufig opulenten Bildgefügen vollzieht sich als gewisser Durchbruch Mitte der siebziger Jahre. Es gibt aus jener Zeit eine beachtliche Reihe von Bildnissen, in denen die Offenlegung psychischer Strukturen und physischer Präsenz in den Vordergrund tritt und differenzierte malerische Entsprechungen erzeugt. Aus dem Porträtwerk ragen die Bildnisse wissenschaftlicher und künstlerischer Persönlichkeiten heraus, denen er als intellektueller Maler sozusagen auf Augenhöhe begegnet: An das legendäre Porträt des Schauspielers Ernst Busch (1972)sei hier erinnert. Paris fasst es in Posen psychologisierender Verinnerlichung einer vielschichtig-widersprüchlichen Persönlichkeit. Es gibt da keine Tabus und keine Kompromisse, was im Falle des Ernst Busch-Porträts nahezu zur Entweihung einer Ikone geriet und zu den bekannten kulturpolitischen Querelen und wahrscheinlichen Vernichtung des Bildes führte.

Im Focus des malerischen Schaffens von Ronald Paris aber stehen ohne Zweifel die politischen Ereignisbilder und die großen thematischen Kompositionen der Wandbildgestaltungen, die im Laufe eines Dutzend von Jahren zwischen 1969 und 1982 für Berlin, Rostock und Schwedt an der Oder entstanden. In diesen politischen Bekenntnisbildern fasst er sein Weltbild als komplexes Epochenbild der Menschheitsfragen: Es sind bildnerische Unternehmungen, die die Totalität der Welt in all ihren Widersprüchen, in geschichtlichen Zitaten und metaphorischen Allegorien erkennbar zu machen suchen. Als studierter Wandbildner, der Paris ja eigentlich ist, verfügt er über alle Register der geistig-inhaltlichen wie der kompositorischen und farblichen Verdichtung an der »besonderen Dimension ‚Wand’«. Er entwickelt furiose monumentale Bildwelten in einer szenisch turbulenten expressiven Malerei
Im Konnex und in der Nachfolge zu dieser Hauptgruppe seiner Malerei entstanden Werke aktueller politischer Ereignisbilder und Adaptionen christlicher und antiker Mythologien. 1981 malt er die »Ermordung des Erzbischofs von San Salvador« und für das Gewandhaus in Leipzig den »Streit zwischen Marsyas und Apollon« als das alte Thema des Widerstreits von Gewalt und Aufbegehren, von Macht und Kultur.

In der Folge der Antikenrezeptionen, die ursprünglich durch Christoph Schrots »Antikenprojekt« des Schweriner Staatstheaters Anfang der 80er Jahre angeregt wurden und dann durch Heiner Müllers Dramatisierungen in Berlin herausfordernde Erneuerung fanden, entstanden bis in jüngste Zeit bildnerische Adaptionen etwa zu Sisyphos, Prometheus oder Ikarus, die die Widersprüchlichkeit, Sinn und Widersinn antiken Heldentums als zeitloses Menetekel vorführen. Für den Maler ein endloses Thema.

Durch das facettenreiche malerische Werk des Ronald Paris zieht sich ein Thema in bemerkenswerter Kontinuität und Vielgestaltigkeit: Ronald Paris ist ein Landschafter aus Berufung. Es ist eine ursprüngliche Faszination, die ihn beim Erleben von Natur erfasst, ein »Respekt vor der elementaren Natur, vor ihr zu arbeiten, sie ständig zu befragen.« Sein Landschaftswerk, ob nun vor heimatlichen Motiven oder auf Reisen zwischen Kuba, dem mediterranen Raum oder Indien entstanden, ist in seinen Ausprägungen und Wandlungen eingebunden in die Hauptlinien des Gesamtwerkes, dessen Eckpunkte in seiner malerischen Weltaneignung eindringliche Porträts und ausladende Figurenkompositionen, thematische Bildteppiche und monumentale Wandbilder sind. Die Bildwelt von Ronald Paris atmet politische Geschichte, gesellschaftsbewegende Ideen und Menschheitskultur, die die große Form, den dynamischen Gestus und einen pathetischen Grundton implizieren. Und so sind auch die Stadt- und Naturlandschaften, oder die maritimen Sichten auf mediterrane, irische oder südindische Küsten nicht schlechthin sinnliche Entdeckungen des Schönen und Außergewöhnlichen, sondern können natur- und erdgeschichtliches, historisches und kulturelles Ereignisbild sein, gleichermaßen getragen von emotionaler und rationaler Verinnerlichung.

Die maritimen Landschaftsthemen und –motive verdeutlichen ein inniges Verhältnis zur See und zum Meer, zu dem Ronald Paris seit Kindertagen eine tief verwurzelte Beziehung hat. Es geht ihm um »das Gefühl innerer Befreiung beim Anblick der See«. Es durchzieht sein Werk seit den frühen sechziger Jahren mit ihren ostdeutschen Ostseelandschaften bis zu den jüngsten Serien aus Irland oder Indien und streift das mediterrane Europa zwischen der Türkei und Spanien ebenso wie skandinavische und kubanische Küsten. Diese Landschaftsmotive sind wohl »Orte der Sehnsucht« nach dem Urerlebnis der Schöpfung und nach einer Selbstfindung darin.

In den ersten Ostseelandschaften verbanden sich die Elemente Land, Meer und Luft zu weiten Panoramen additiver, monumentalisierender Tiefenstaffelungen, die später in expressiven Farb- und Formstrukturen, dynamischen Raumschachtelungen und bewegten Kompositionsgerüsten überführt werden. Dramatisierte Übergänge von Land und Meer in aufgebrochenen Schichtungen der gischtenden See bestimmen die Szenerie, so wird er dann auch den Ägäis-Inseln und der irischen Küste zeichnerisch und malerisch zu Leibe rücken. Die mittelmeerischen Motive Italiens und Griechenlands sind die Landschaften seiner antiken Helden Marsyas und Apollon, Achill, Sisyphos und Odysseus. Das mediterrane Licht ordnet Felsformationen und Meerblicke gleichsam zu Bühnenräumen antiker Dramen.

Die irischen Küstenbilder dagegen sind voller urtümlicher Sprengkraft aus eindringlicher Dramatik der Naturkräfte. Heinrich Böll hat das als »Millionen Jahre alte Wut« beschrieben, »die sich schon tief unter die Felsen gefressen hat«. Im Geiste dieses literarischen Blicks des Dichters auf die irische Insellandschaft fand der Maler seine unterkühlten Farbkontraste und die umklammernden Formballungen von Fels und See.
Und als wolle er den Kreis um den Globus malerisch schließen, gibt es nun seit einigen Jahren neben den kulturträchtigen Mittelmeerlandschaften und den Naturereignissen der irischen See die vergleichsweise harmonisierten, paradiesisch anmutenden Bilder aus dem südindischen Kerala, wo Ronald Paris hin und wieder die Familie seines Sohnes besucht. Daraus erwächst eine persönliche, nahezu intime Nähe zu Bildthemen und Malanlässen, wenn etwa Fischer und Bootsbauer mit den exotischen Gewändern und Turbanen vor ihren aufgelandeten Booten in harmonischen Panoramen vor Meer und Horizont dargestellt werden. »Kerala als Idyll, das allein durch die Farbe geprägt wird« ist das beschrieben worden. Und das durchaus ein bestätigendes Kompliment für den Maler.

Klaus Tiedemann

 

 

weitere Rubriken: blättern

 

Ausstellungen

Kunsthandel l Erweiterte Suche  l Konditionen

Consulting

Startseite

aktuell l bisher l Medienecho

Grafik  Malerei  Plastik  l  Zeichnung  l  Künstler

Konzepte l Vermittlung

Impressum

 

 

 

Für die Inhalte verlinkter Internet-Präsenzen sind deren Anbieter verantwortlich, nicht die Inhaber der Galerie oder der Galerist. Gestaltung der Internet-Präsenz und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne Genehmigung nicht verwendet werden. Werk-Abbildungen/Einrichtung: Hermann Büchner, Berlin
Bildschau realisiert auf Grundlage von Lightbox JS v2.0 by by Lokesh Dhakar  / © 2009 – 2010  All rights reserved