Rede zur Eröffnung einer Ausstellung am 24. 3. 2008
Guten Abend, meine Damen und Herren!
Als Sabine mich fragt, ob ich ein Paar Worte heute Abend sagen
würde, habe ich zuerst grosse Lampenfieber bekommen - ein mir
sehr vertrautes Gefühl auch wenn ich nicht mehr singen muss.
Doch ich habe mich sehr gefreut.
Meine Jahren des Sammelns von Keramik der DDR und dann der neuen
Bundesländer hat Thomas und mir so viele neue Freunde geschenkt
und uns die Möglichkeit gegeben, ihre Arbeit und, noch
wichtiger, was dahinter liegt, zu erfahren, dass ich wirklich
nicht weiss, wie ich meine Dankbarkeit ausdrücken soll, ohne die
Fassung ein wenig zu verlieren. Also versuche ich es gar nicht.
Wir sind so wie so hier um über Sabine und ihr bedeutendes
Oeuvre zu sprechen und nur indirekt von meinen Gefühlen.
Es ist eine Freude für mich, über Künstler zu reden, die meine
Freunde sind und in diesem Fall kann ich wirklich sagen, dass
als ich Sabines Stücke zum ersten Mal sah war ich so aufgeregt,
wie nur ein Sammler sein kann - was Herr Stübner bestimmt
bestätigen kann - und bin ich es immer noch wenn neue Stücke
erscheinen.
Beim ersten Mal standen sie in einem dunklen Scheune in
Sieversdorf, wo man ein wenig Angst hatte, das Ganze könnte über
unsere Köpfen zusammen krachen. Diese staubige Dunkelheit, ab
und zu von einem abermals staubigen Sonnenstrahl durchschnitten,
gaben die Stücke eine ganz besondere Aura. Vielleicht konnte man
sagen, es war fast wie die Entdeckungen in Ägypten und erst viel
später erlebten wir, dass sie in vollem Sonnenlicht nichts von
ihre Ausstrahlung verloren.
Ich habe Sabine gebeten, das ?Mutter-Kind" Plastik aus der erste
Ausstellung, die wir in 1994 erlebt haben, nochmals hier zu
zeigen, auch wenn sie sich verständlicherweise davon nicht
trennen möchte, leider!
Als ich es sah war es um mich geschehen. Für mich ist es eine
der schönste moderne Plastiken, die ich je gesehen habe, nur
müsste es in einer Kirche stehen und nicht in einer Sammlung.
Die Mutter hält ihr Kind mit schweren, schützenden Händen fest
an sich gedrückt. Zu Hause bei uns kniet eine Mutter und schützt
ihr Kind mit denselben schweren Händen. Dieser Plastik stand
viele Jahren bei uns im Garten in einer verstecken Ecke. Jetzt
steht er in unsere neuen Wohnung in Wilmersdorf und passt
perfekt auch hier.
Die erste Frage, die einen Einfällt, wenn man Sabines Werke -
Entschuldigung, ich kann sie nur beim Vornamen nennen, wir
kennen uns so lange - die erste Frage ist, ?Wie baut sie diese
Figuren überhaupt? Da sind Löcher überall, wie bei Bausteine".
Und das sind sie auch, einfache Bausteine.
In einer Symposium in Römhild in 1987 hat Karl Fülle, selber ein
bedeutender Keramiker und langjähriger Freund dazu, eine Ladung
diese ungebrannte, lederharte Bausteine den Teilnehmern
vorgesetzt und sie aufforderte, damit zu experimentieren.
Die Anderen konnten damit wenig oder nichts anfangen. Sabine
merkte aber bald, dass sie endlich ?Ihr" Stoff gefunden hat, und
so blieb es auch.
Sie schneidet also die Figuren aus den aufgetürmte Bausteinen.
Sie werden dann bearbeitet, engobiert, Löcher die sie nicht
braucht werden zugemacht, usw., Dann nimmt sie das Ganze wieder
auseinander, da die Steine separat trocknen müssen. Sie werden
einzeln gebrannt, und schliesslich wieder zusammengesetzt. In
diesen Prozessen können viele Probleme auftreten. Stücke haben
sich im Brand verzogen, die Farben haben sich geändert, Sie muss
sehen, dass sie alles wieder zusammen kriegt.
Für die Zusammensetzung gebraucht sie einen starken Zementmörtel
- wie sie damit umgeht bleibt ihr Geheimnis (Sie hat es mir
teilweise erklärt, doch ich habe kein Wort davon verstanden,
nur, dass es nicht so einfach ist wie es klingt!). Das Stück
entsteht dann von unten nach oben, wie ein Gebäude. Nachher ist
es fast unmöglich die Schnittstellen zu finden. Eigentlich ein
Wunder für mich!
Sie hat mir erzählt, dass sie sich lieber mit weibliche als mit
männlichen Modellen arbeitet. Dies hätte nichts mit dem
Körperlichen zu tun sondern mit dem Seelischen. Sie findet es
sehr schwer in die Seele eines Mannes sich hinein zu fühlen. Ein
sehr interessante Satz, wo ihre Ehrlichkeit und Selbstkritik
klar zum Ausdruck kommen.
Diese Mutter-Kind Beziehung, das weiblichste aller
Frauen-Themen, beherrschte lange Zeit ihre Arbeit fast
ausschliesslich. Nach Jahren gab es Leute, die dann sagten, dass
sie dieses Thema genug behandelt hätte und nun etwas neues
zeigen sollte. Als sie mir davon erzählt, fühlte ich mich Freund
genug um auch meine Meinung von mir zu geben - Sie sollte dieses
Thema, was so sehr ihr Gedanken beherrscht, nicht aufgeben nur
weil Freunde es vorgeschlagen haben. Es ist ein Thema, was einem
im Grunde ein Leben lang beschäftigen kann, meiner Meinung nach.
Doch erst wenn sie tief im Innern allein entscheidet ein andere
Weg zu suchen, wurde sie es finden und erfolgreich sein.
Hier sehe ich ein Parallel zu meinem frühen Beruf. Man kann nur
das übermitteln, woran man tief glaubt. Diese Gefühle oder, wie
in meinem Fall, Interpretationen, können sich im Laufe eines
Lebens oft ändern, doch wenn man etwas tut, dann muss man zu
dieser Zeitpunkt ganz und gar daran glauben und überzeugt sein.
Morgen oder in einem Jahr kann es anders sein.
Wir sehen hier viele neue Stücke, die diese Mutter-Kind
Beziehung noch in sich tragen, doch auch andere, die neuen Wege
anzeigen. Die Kinder werden grösser und tragen jetzt Kleider,
die, wie sie mir sagte, eine Art Panzer sind, die sie von der
Aussenwelt schützt. Eine Gedanke, die mich überraschte und lange
beschäftigte.
Wenn man Sabine kennenlernt, kann man fast gar nicht glauben,
dass diese lebenslustige, farbig angezogene, lachende Person
solche Stücke voll Tiefe und Emotion schaffen könnte. Doch
könnten vielleicht die bunte Kleider der Kinder und die von
Sabine eine unbewusste Parallel offenbaren? Sie könnten beide
damit Gefühle verstecken, die sie nicht preisgeben möchte? Ich
weiss es nicht.
Ich weiss nur, dass ab wir sie näher kennen lernen dürften,
haben wir schnell erkannt, dass sie ein Person mit Tiefe und
immer wiederkehrende Unsicherheit und Zweifel ist. Auch ein
Parallel. Ein Künstler, ob Keramiker oder Musiker, der nicht
immer wieder an seiner Arbeit zweifelt ist kein Künstler und
seine Arbeit zeigt diese fehlenden Kampf mit sich selbst. Es
kann perfekt sein, doch das Herz fehlt.
Viele Leute scheuen sich solche Kunstwerke in ihre nähere
Umgebung zu haben, weil sie sie vielleicht beunruhigen, sie
ablenken von Gewohntem. Lieber etwas dekoratives, frohes und
leicht anzuschauendes, -?beliebig", wie unsere geliebte Gertraud
Möhwald gesagt hätte.
Sabines Werke sind genau das Gegenteil Sie verlangen
Auseinandersetzung und Konzentration, dann kommt etwas
merkwürdiges zurück. Man ist bewegt, doch innerlich kehrt eine
besondere Ruhe ein.
So ungefähr stelle ich mir persönlich die Kunst vor, ob es
Musik, Keramik, Holz oder Bronze und das ist ganz besonders bei
Sabine der Fall.
Ich wünsche Ihnen alle einen schönen Abend und nehmen sie sich
Zeit und versuchen hinter dem oft rauen Äußern diese Stücke zu
schauen, ihr Herz zu spüren. Wenn es nicht gelingt, gehen Sie
zum Nächsten, irgendwann werden sie vielleicht sagen, ?Ja, jetzt
weiss ich, was er meinte. Diese Stück spricht mich an!" Es lebt
sich wunderbar mit Sabine Hellers Arbeiten.
Viele Vergnügen!
Barry Mc Daniel
Schreibweise entsprechend Original-Manuskript des Autors
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