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  »TIERISCH  LÄNDLICH«
Bilder und Zeichnungen von SELTMANN

24. März bis 21. Mai 2006


Vernissage
Donnerstag, 23. März, 19 Uhr
es spricht: Dr. Annette Dorgerloh Kunsthistorikerin, Humboldt-Universität zu Berlin

Entrevue
Donnerstag, 6. April und Donnerstag, 27. April jeweils zwischen 18 und 22 Uhr
Finissage
Sonntag, den 21. Mai, zwischen 16 und 20 Uhr

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Leinwände: I l II l III l Zeichnungen: I l II l III

Selbstbildnis, 1999
Mischtechnik auf Leinwand, 80 x 100 cm

Vernissage: Rede von Annette Dorgerloh

 

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Die Malerin Seltmann liebt das Spiel mit Bedeutungen. Wenn sie hier ihre Arbeiten unter den Titel »Tierisch ländlich« stellt, dann ist das ironisch und ernst zugleich gemeint, weil es sich in mehrfacher Hinsicht auf ihre Arbeitsexistenz auf einem Dorf bezieht, und die nun einmal viel mit der dortigen Fauna zu tun. Es geht also um Kemlitz bei Baruth, aber es geht auch – davon ausgehend und weit darüber hinausgehend - um ganz grundsätzliche Fragen der Existenz, die sich bei Kerstin Seltmann mit ihren Bildmotive verbinden – als Probleme einer reflektierten Künstlerexistenz, die eigentlich bei jedem Thema mitbehandelt werden.
Den Ausgangspunkt der Werke aber bilden immer genaue Beobachtungen: Das können banale Dinge sein, die zu einer Gestaltungsaufgabe werden; nicht, um sie ›abzubilden‹, sondern um sie der eigenen Bildwelt einzuverleiben, sie umzuformen nach den Prämissen der spezifisch Seltmannschen Bildlichkeit.
Dazu gehört die konsequente Vermeidung alles Konfliktarmen, zu Einfachen und zu ›Schönen‹ – schnelle Effekte haben sie nie interessiert.
Stattdessen beginnt in der Auseinandersetzung mit der Form im Zeichnen wie im Malen stets ein wirklich schöpferischer Prozeß, ein Bild-Abenteuer, das auch assoziativen Eingebungen gegenüber offen ist. Nicht eben oft bleibt das Ausgangsmotiv zum Schluß noch sichtbar, meistens überdeckt von einer Vielzahl von Malschichten und immer transformiert.
Kerstin Seltmann eine von der Kunstarbeit, von Malen und Zeichnen Besessene, und das ist ein Glück für uns.
Die Bildtitel oder auch die schriftlichen Hinweise auf den Blättern und Leinwänden transportieren häufig die inhaltlichen Weiterungen mit: »Kröte ›oder«, so ist präzise ein Tier übertitelt, das sich auf orangenem Grund entfaltet und das eher an einen Gregor Samsa oder an weitaus gefährlichere Mischwesen denken lässt als an einen harmlosen Lurch. Auch die »Große Krähe« hat sich von ihrem Urbild gelöst und sich in eine vielschichtige, an Masken erinnernde Form inmitten dramatischen Rots verwandelt.
Seit langem schon spielt die Wahrnehmung von Tieren und das Interesse an ihren Formen und Bewegungen eine große Rolle in ihrem Werk. Ausgelöst wurde dies paradoxerweise durch ihre Stillstellung: Es waren vielfach tote Tiere, die ihr Interesse weckten - Schwäne am Ostseestrand (noch lange vor H5N1!), die Opfer der Krötenwanderungen auf der Dorfstraße, eine Wespe im Atelier oder zum Verzehr zubereitete Fische. »Natur mort«, tote Natur – so heißt im Französischen, was bei uns als ›Stilleben‹ bezeichnet wird: Es entwickelt im Bild ein Eigenleben, quasi eine neue Existenz. Die Kreaturen entfalten Potenzen, die komisch und bedrohlich zugleich sein können. Andere, wie die Kühe bzw. Ziegen scheinen hingegen von einer Chagallhaften Leichtigkeit, und sind doch auf eine fast mediterrane Art in ihrem Wesen erfasst. Bei so viel Bildpoesie kann man darauf warten, dass die Malerin sie wenigstens per Bildtitel wieder erdet: »Landwirtschaft« heißt das dann ziemlich nüchtern.
Zuweilen tritt die symbolisch anwesende Künstlerin auch sichtbar mit hinein in das Bild, sichtbar in Fragmenten des Gesichts oder eines blickendes Auges. Es ist immer noch die von Gottfried Boehm als Signum des Selbstporträts erkannte »Überpräsenz des Blicks«, die in der Kunstgeschichte stets auf den Künstler selbst zurückwies.
Für Kerstin Seltmann ist dies freilich keine Hürde: Das Selbstbildnis ist auch für sie schon lange nicht mehr an wiedererkennbare Ähnlichkeiten geknüpft – was aber nicht heißt, dass Ähnlichkeiten nicht vorkämen: Fragmentierte Ausschnitte des Gesichts wie in der großformatigen Arbeit »Daselbst«, lange Zeit auch das Herz als hochsymbolisches Hohlorgan, das noch in »Daselbst« die heimliche Mitte bildet, konnten auch allein für eine ›porträtierte‹ Person, genauer gesagt meistens für das ›Selbstbildnis‹ stehen.

In Seltmanns Werk lässt sich seit langem eine gewisse organische Entwicklung beobachten: Nach einer Phase farbstarker und kontrastreicher Formkonzentrate in der Mitte ihrer Bilder zeigen die Arbeiten der letzten Monate ein Aufbrechen dieser ins Kubische tendierenden ›Verschachtelungen‹ . Zunehmend rücken Landschaften, in denen sich Seltmann aufhält, ins engere Blickfeld und werden zum Bildgegenstand. Sie zeigen ein neues Verströmen in den Bildraum hinein. Der Weg hierhin wird sehr deutlich bei den hier vertretenen Kemlitzer Landschaften. Das ist einmal der in Blautönen gehaltene Kemlitzer Dorfteich, der noch aus der alten, mittigen Bildstruktur heraus entwickelt ist, an den Rändern aber ausgreift. Die winterliche Landschaft mit der Fledermaus-Reihe markiert hingegen eine veränderte Raumauffassung, die trotz aller Tiefe in die Fläche konzipiert ist.

Auch die kleinformatigen Serien wie die Reiseserie aus dem englischen »Withby« oder das Kemlitzer Pendant verbinden genau Beobachtetes mit Imaginiertem zu einem hintergründigem Realismus Seltmannscher Art.
Trotz aller partiellen Verdüsterungen, die besonders häufig bei den Winterbildern zu finden sind, und trotz mancher kleiner Bösartigkeiten - vor allem bei den ›Menschenbildern‹ - strahlen die Arbeiten Kerstin Seltmanns doch eine besondere Wärme und eine große Sympathie für alle ihre ländlichen Wesen aus. Das vermittelt die – trotz aller Strenge - doch kostbar-üppige Farbigkeit, aber eben auch an einer konstruktiven Grundeinstellung ihren Gegenständen gegenüber, seien es Insekten, Hunde, Kröten, Ausblicke auf Schienenbusse oder auch nur den vorbeigehenden Nachbarn. Auch simple Malgründe wie ein Faltplan erhalten durch ihre Übermalung ein ganz neues Leben, sie werden zu kostbar leuchtenden Gebilden mit einer imaginären Topographie.
Wer sich auf die Bilder einlässt und diesen Pfaden der Kunst folgt, kann reich belohnt werden: Mit dem Weiterwirken der Bilder, ihrem Nachleuchten, das auch unseren Blick schärfen und erhellen kann.


Berlin, im März 2006

 

   

 

 

 

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