»TIERISCH LÄNDLICH« nennt Kerstin Seltmann die Ausstellung in der Galerie am
Gendarmenmarkt.
Sie selbst ist tief im ?Ländlichen? verwurzelt, wohnend in Kemlitz, einem kleinen Dorf
in der Nähe von Baruth/ Mark im Land Brandenburg, erlebt sie Natur und Kreatur ganz unmittelbar, den ständigen
Wechsel zwischen Werden und Vergehen. Das in den Bildern dargestellte Milieu ist
?tierisch? ländlich, es wimmelt da von Fliegen, Bienen, Libellen,
Vögel, Fledermäuse, Kröten, Teichhühner, Schwäne, Krähen ... – Aber auch der
Landschaft
gibt sie in ihren Bildern Raum.
So vielschichtig, wie der Titel der Ausstellung sind ihre Bilder und
Zeichnungen. Sie liebt Zwei- oder Mehrdeu-
tigkeiten – in der Malerei.
Ausgangspunkte für das Entstehen ihrer Bilder sind sinnliche Eindrücke, erlebte
Ereignisse oder Geschichten.
Sie sind Anlässe, Anstöße für einen langen,
vielleicht auch qualvollen Prozess des Formulierens von Zeichen und Symbolen,
von Fetzen der Realität, den Gegenstand umkreisend, keineswegs abbildend. Sie
werden geordnet zu einem neuen organischen Gespinst von Flächen, Linien und
Farben. Die Erregung des Suchens ist spürbar noch, doch die Stimmigkeit des
Ergebnisses verbreitet lustvolle Zufriedenheit, das Schwelgen im Malerischen
überdeckt Unheimliches, die erhoffte Harmonie erweist sich als trügerisch, es
gibt keinen Frieden. Von dieser Stimmung oder besser Haltung ist das Werk
geprägt.
So hat Kerstin Seltmann ein ganz eigenständiges malerisches Denken entwickelt,
frei vom Gegenständlichen,
getrieben von der lustvollen Suche nach dem
Hintergründigen, sehr ernst manchmal, aber auch humorvoll ironisch zuweilen oder
beides in einem, der Gegenstand aber bleibt der Einstieg in die Suche, manchmal
liefert er auch den Titel für das Bild, beziehungsweise fordert die Verblüffung
über das Dargestellte in Verbindung mit dem Titel den Betrachter zur intensiven
Beschäftigung.
So vielfältig wie die Denkebenen in den Bildern sich überlagern und
durchdringen, so reich entfaltet sich auch der materielle Reiz der Oberflächen.
Kerstin Seltmann hantiert mit Farbe, mit Pigmenten, Malmittel und Öl, mischt
Sand und anderes bei, überklebt und übermalt das Geklebte, malt mal sehr
verdünnt, lasierend, um dann das Auge mit pastosem Farbauftrag zu überraschen.
Ihre Mischtechnik ist ebenso verschlungen wie das Wesen ihrer Bilder, die
Formensprünge fließen in den Weg zur Erhellung.
Die Ausstellung zeigt überwiegend Leinwände in Formaten von etwa 180 x 150 cm,
auch einige kleinere.
Den überraschenden Gegenpol bilden die im Verhältnis
dazu fast winzigen, etwa 12 x 21 cm großen Zeichnungen.
Die Zeichnungen erweisen sich als kleine Kostbarkeiten, sehr konzentriert, weil
sie oftmals der Gedankenan-
stoß für die Malerei sind, erstes Abtasten einer Idee,
überprüft ob ihrer Tauglichkeit für eine lange Ausein-andersetzung, manchmal
sogar in seriellen Analysen. In den Zeichnungen erprobte Strukturen fließen aber
auch direkt in die Malerei ein. Und schließlich sind die Zeichnungen für die
Künstlerin auch Etüden, wie die täglichen Fingerübungen für einen Pianisten.
Technisch sind sie sehr vielfältig: Kohle, Bleistift, Aquarellfarben nutzt sie,
vermischt auch die Techniken. Übermalungen von Computerausdrucken gibt es
ebenfalls.
Aus Anlass der Ausstellung hat die Galerie am Gendarmenmarkt die Herausgabe des
Buches
»SELTMANN <2006« gefördert, das in der Ausstellung erworben werden kann. |