Mit der
Ausstellung »Charles Crodel - Malerei« setzt die Galerie am
Gendarmenmarkt ihr Bestreben fort, Nachläs- se von Künstlern zu
zeigen, die in Deutschland in der zweiten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts nahtlos an die klassische Moderne angeknüpft und
die bildende Kunst wesentlich mitgeprägt haben. Oftmals sind
diese künstlerischen Nachlässe zu unrecht in Vergessenheit
geraten.
Mit Bildern von Charles Crodel zeigt die Galerie am
Gendarmenmarkt einen Künstler, der ganz entschieden und intensiv
das Profil der Halleschen Kunstschule Burg Giebichenstein und
damit auch der Halleschen Malerei ge- prägt hat.
1927 holte der befreundete Bildhauer Gerhard Marcks Crodel an
die Kunstgewerbeschule Halle als Lehrer für Ma- lerei und
Grafik. 1933 wurde er als einer der ersten Vertreter der Moderne
von den Nazis entlassen und seine Wandbilder in der Halleschen
Universität und im Goethe-Theater Bad Lauchstädt wurden
vernichtet.
1945 konnte er seine Lehrtätigkeit in Halle fortsetzen, 1948
übernahm er gleichzeitig eine eigene Klasse für de- koratives
Gestalten an der Hochschule für Bildende Künste Berlin (West).
1951 – diffamiert durch die ?Formalismusdebatte? in der DDR –
folgte Crodel dem Ruf an die Münchener Akademie der bildenden
Künste.
Die Ausstellung konzentriert sich auf das malerische Werk
Crodels. Sie beginnt bei den frühen Arbeiten vom Be- ginn der
20er Jahre, als sein Malstil noch stark durch die Freundschaft
mit Ludwig Kirchner geprägt war, und en- det mit einem Bild aus
dem Jahr 1970.
Unter anderem sind »Die Tulpenfrau«, mit der Crodel auf der
zweiten documenta vertreten war, der »Kleine Flügelaltar« von
1969 und erstmalig der liegenden Akt von 1922 - bisher als
Rückseite des Bildes »Familie des Künstlers« versteckt - zu
sehen.
Große Verdienste erwarb sich Crodel auch auf dem Gebiet der
angewandten Malerei, berühmt sind vor allem sei- ne Glasfenster
u. a. in der Katharinenkirche in Frankfurt am Main, im
Merseburger Dom, in der St.-Jacobi-Kirche zu Hamburg oder in St.
Georg in Schmalkalden.
Die Freundschaft mit Hedwig Bollhagen, die in den 30er Jahren
begann und zeitlebens anhielt, regte Crodel auch an, sich auf
dem Gebiet der Keramik künstlerisch zu betätigen.
Neben Gemälden, Aquarellen und Druckgrafiken zeigt die
Ausstellung eine einzige keramische Arbeit von Crodel, eine
Porträtplastik von Hedwig Bollhagen - neben einer Plastik von
Sabina Grzimek aus jüngster Zeit, die einzige Porträtplastik,
die es überhaupt von Hedwig Bollhagen gibt. Sie steht
exemplarisch neben den Bildern als einziger Hinweis auf die
vielfältige künstlerische Begabung Charles Crodels.
Die letzte größere Ausstellung von Gemälden, Aquarellen und
Zeichnungen zeigte die Galerie Wolfgang Ketterer 1984 in
München.
Die Preise für die Gemälde liegen zwischen 1800 – und 7400 ?,
Grafiken werden ab 450 – angeboten.
»Die Welt war ihm ein Bilderbuch, daß er mit äußerster Aufmerksamkeit
betrachtete. Die Summe der Beobach- tungen fügte er zu einer neuen Geschichte,
zuweilen zum Märchen zusammen. Jedes Teil hatte seine besondere, aus momentaner
Beobachtung aufgefaßte, oft private Bedeutung. Im scheinbar systemlosen
Nebeneinander (...) ordnen sich die Figuren und Dinge durch die unerschöpfliche
Fantasie Crodels zu neuem Ausdruck eines zeitlosen Daseins.
Crodel besaß eine
Fähigkeit der natürlichen Naivität, die ihm gestattete, tausendmal gesehene
Vorgänge jedes mal neu, gleichsam überrascht zu sehen. Er konnte die
künstlerischen und literarischen Eindrücke von allem Wissen und aller Bildung
befreien, sie ganz einfach und wörtlich nehmen. Er konnte aber auch die
einfachsten optischen Erlebnisse aus seiner großen Bildung heraus mit
frappierenden Assoziationen verbinden. Daraus wob er das
Netz seiner Bilder.«
Wolf-Dieter Dube |