|
Ingeborg Hunzinger:
Skulpturen und Zeichnungen - eine Auswahl
aus Anlass des neunzigsten Geburtstags der
Künstlerin |
Intro
l
Skulpturen l
Zeichnungen l
Biografie l
Buch/DVD l
Freiraum |
Ausstellungsdauer: 28. Januar - 5. März 2005
Vernissage
Donnerstag, 27. Januar 2005, 19 Uhr
mit
Ausführungen zu Leben und Werk
der Künstlerin
von
Dr. Heinz Schönemann
Kunsthistoriker, Potsdam |
|
|
|
Werke im öffentlichen Raum |
|
Blättern zu weiteren Rubriken der aktuellen Ausstellung |
|
Ingeborg Hunzinger schuf eine Vielzahl von Werken für den
öffentlichen Raum, dokumentiert im eben erschienen Buch
»Ingeborg Hunzinger - Die Bildhauerin«, daraus einige Beispiele
sowie der Text »Auf den Lebensspuren der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger«
von Christel Wollmann-Fiedler, mit freundlicher Genehmigung des
Verlages HP Nacke und der Autorin.
Weitere zahlreiche Abbildungen und ausführliche Texte im
Buch. |
|
|
|
|
|
|
|
|
Berlin-Mitte, Rosenstraße, Frauenprotest in der Rosenstraße, 4
Blöcke und 2 Figurengruppen, 1995, Rochlitzer Porphyr, Details |
Auf den Lebensspuren der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger
Als kreativer hochsensibler Wassermann, wie sie sich selbst
bezeichnet, wurde Ingeborg Hunzinger-Franck wäh- rend des ersten
Weltkrieges am 3. Februar 1915 in Berlin in eine großbürgerliche
Familie geboren. Die Mutter war eine Berliner Jüdin, der Vater,
Sohn des Wannseer Malers und Berliner Sezessionisten Philipp
Franck, war Chemi- ker; noch eine Schwester und zwei Brüder
gehörten zur Familie. Die künstlerischen Weichen wurden durch
ihren Großvater Franck gestellt.
Nach dem Abitur folgte ein zweijähriger Besuch der Kunstakademie
in Charlottenburg. Wegen der Zugehörigkeit zum Kommunistischen
Bund wies man sie von der Akademie. Das Angebot ihres Vaters,
einen Studienplatz im Ausland anzunehmen, schlug sie in den
Wind. Stattdessen begann sie 1936 eine Steinmetzlehre in
Franken, die sie 1938 als Gesellin abschloß. 1938 bis 1939
vertiefte sie ihre bislang erworbenen Bildhauerkenntnisse bei
dem damals schon sehr bekannten Bildhauer Ludwig Kasper im
»Atelierhaus in der Klosterstraße«. Hermann Blumen- thal, Käthe
Kollwitz und viele andere Künstler arbeiteten und lebten
ebenfalls in diesem Atelierhaus.
Eigenwillig und auch getrieben durch neue politische Wandlungen
in Deutschland, mit Berufsverbot im Koffer, ging sie 1939 nach
Italien. In Florenz lernte sie den Maler Helmut Ruhmer aus Halle
kennen, die ganz große Liebe ihres Lebens. Stipendiat war er in
der Villa Romana, später Preisträger der Villa Massimo in Rom.
Er sollte sie weiter durch Italien nach Sizilien begleiten, wo
sie bei Elio Romana, einem sizilianischen Maler, lebten.
1943 kehrten Helmut Ruhmer und Ingeborg Franck nach Deutschland
zurück. Die Eltern in Berlin waren nicht glücklich, ihre Tochter
zu sehen, denn Hans-Heinrich Franck, der Vater, hatte bereits
Mühe, seine jüdische Frau vor den Nazis zu schützen. So ging
Ingeborg Franck 1942 mit Helmut Ruhmer an die Schweizer Grenze.
In Berg- alingen, oberhalb von Säckingen, wurden ihre beiden
Kinder geboren; Anna 1943 und 1944 Gottlieb. Helmut Ruh- mer
wurde 1945 kurz vor Kriegsende eingezogen, kam an die Ostfront
und fiel zwei Wochen später. |
|
|
Berlin - Mitte, Club der Kulturschaffenden Johannes R. Becher
[jetzt im Monbijoupark]
Die Erde, 1974, Bronze |
Berlin-Biesdorf
Im Schlosspark, Alt Biesdorf
Die Sinnende, 1980, Sandstein |
Ingeborg Franck blieb im Hotzenwald. Ihre manuelle Fähigkeit
kommt ihr zugute, töpfern ist ihr nicht fremd , hat sie ja bei
Bontjes van Beek in Berlin gelernt. Die Arbeit bringt Geld und
Essen für die Kinder. Zwei bildhauerische Ausschreibungen in
Freiburg und Basel gewinnt sie, doch die Aufträge gab man dem
»Roten Fuchs« nicht. Als Preußin und Kommunistin wird sie kaum
akzeptiert. 1946 gründete sie zusammen mit anderen
Gesinnungsgenos- sen in Konstanz die Kommunistische Partei.
Zeitzeugen dort oben im Hotzenwald erinnern sich noch heute an
das schöne Fräulein Franck!
Ein anderer Mann tauchte in ihrem Leben auf, Adolf Hunzinger,
Schlosser, kein Intellektueller. Der Mann mit dem praktischen
Sinn und dem alemannischen Namen. Als Spanienkämpfer und
Kommunist folgte er ihr in den Ostteil Berlins, wo 1950 die
gemeinsame Tochter Rosita geboren wurde.
Nachdem ihr klar war, im Badischen keinen Fuß fassen zu können,
orientierte sie sich 1949 nach Ost-Berlin, dem damaligen
sowjetisch besetzten Stadtteil. Ihr Vater, der aus politischen
Gründen 1946 vom West- in den Ostteil der Stadt wechselte, hatte
in der Zwischenzeit hohe Ämter in Ost-Berlin inne und konnte ihr
durch seinen Ein- fluß zum guten Einstand im russisch besetzten
Teil der Stadt verhelfen. An der Weißenseer Kunstschule bekam
sie eine Assistenz von 1950 - 1951, später interessierte sich
Fritz Cremer für ihre Arbeit. 1952 - 1954 wurde sie
Meisterschülerin bei ihm und Gustav Seitz an der Akademie der
Künste der DDR am Pariser Platz. Danach bekam sie die Chance,
als freie Bildhauerin zu arbeiten . Die Rahnsdorfer Wohnung mit
Atelier ist seitdem ihre Heim- statt. Im ehemaliger Pferdestall
stehen und entstehen die unterschiedlichsten Bildhauerarbeiten,
die sie berühmt machten.
Ausstellungen liebte sie nie. Das Hin- und Hergeschleppe war ihr
lästig, wie sie sagt. Kunst für den Arbeiter wur- de ihr
wichtig, in Fabriken ging sie, sprach und arbeitete dort mit den
Werktätigen. Motive aus deren täglichem Leben verarbeitete sie
in Reliefs in verschiedenen Fabriken. Kunst für den Öffentlichen
Raum wurde in der DDR gepriesen und gut bezahlt. Ingeborg
Hunzinger bekam Aufträge, die sie auf ihre Art umsetzte. Das
Elend des Faschismus ist ein sehr häufiges Thema, doch auch
tanzende und spielende Menschen im Sozialismus finden Umsetzung,
Tag- und Nachträume gehören dazu. In Leuna stehen noch heute
vier plastische Arbeiten, die sie in den Jahren 1955 bis 1965 im
Auftrag der Leunawerke geschaffen hatte. |
|
|
|
Berlin-Mitte,
Rosenstraße
Frauenprotest in der Rosenstraße, 4 Blöcke und 2
Figurengruppen, 1995
Rochlitzer Porphyr, komplettes Ensemble |
Mecklenburg wollte ihr Atelier und Haus in Schwerin stellen; sie
lehnte das Angebot ab. Aufgrund ihrer politi- schen Einigkeit
mit dem Staat durfte sie in westliche Länder reisen und hatte
als Privilegierte sogar die Möglich- keit, ihre beiden Töchter,
die der DDR den Rücken gekehrt hatten, in West-Berlin zu sehen.
So war der Berliner Wohnsitz günstiger, Schwerin zu weit
entfernt.
Robert Riehl, der begnadete Bildhauer mit dem wüsten Charakter
wurde in den Sechzigern ihr dritter Mann. Zehn Jahre später
starb er an Krebs, eine große Bildhauerarbeit von ihm steht in
ihrem Garten in Rahnsdorf.
Die eigenwilligen Plastiken von Ingeborg Hunzinger sind in
verschiedenen Stadtteilen Ost-Berlins und anderen Orten der
ehemaligen DDR zu finden und zu sehen. »Der Pegasus« auf dem
Darß strebt in den Himmel und meine Begeisterung für das Denkmal
in der Rosenstraße in Berlin-Mitte zum Gedenken an die mutigen
Frauen, die dort 1943 den Nazis die Stirn boten und ihre Männer
und Söhne mit ihrem Mut frei bekamen, ist ungebrochen. Ein
Jüdisches Mahnmal für ganz Berlin hätte es werden können.
Einfach großartig im Detail, der Jude auf der Bank daneben im
Sonnenschein ein Schrei für Gerechtigkeit!
Noch kurz vor der Öffnung der Grenzen hat Ingeborg Hunzinger der
DDR den Vertrag für die großartige Arbeit bzw. das Thema
»Frauenprotest in der Rosenstraße« im wahrsten Sinne des Wortes
abgetrotzt!
Monatelang lehnte der Flötenspieler am Pfosten des
Sommerateliers in Rahnsdorf und wartete auf die Abreise nach
Italien. Endlich wurde er verpackt, nach Nonantola bei Modena
gebracht und von der dortigen Kommune aufgestellt. Eine große
Ovation für die damals 87jährige Bildhauerin. Sicherlich ein
großes persönliches Ereignis für die Jüdin und Kommunistin
Ingeborg Hunzinger aus Berlin an diesem geschichtsträchtigen Ort
in Italien gefeiert zu werden.
»1942 kamen jüdische Kinder im Alter von 6 bis 20 Jahren auf der
Flucht vor den Nazis auf dem Weg nach Palä- stina in das
norditalienische Städtchen Nonantola, wo sie in der Villa Emma
untergebracht wurden. Im Herbst 1943, als die Deutschen
Norditalien besetzten, flohen die Kinder zusammen mit ihren
Begleitern in die Schweiz. Ein krankes, zurückgebliebenes Kind
überlebte nicht, sein Weg führte nach Auschwitz.«
Die Villa Emma gibt es noch, die große Weide davor blühte damals
gelb, es war Butterblumenzeit. Der Flöten- spieler lehnt seitdem
am Baum im Park des Palazzo Municipale, mitten im Ort, und
spielt seine verlorene lyrische Melodie. Der Drachen zu seinen
Füßen wird nicht mit Gewalt gezähmt, sondern besänftigt durch
die schönen Klänge der Flöte.
Vor einigen Wochen beendete Ingeborg Hunzinger zwei große
Reliefs aus Ton, die, wie schon in den vergange- nen Jahren, im
Brennofen von Hedwig Bollhagen landeten; ein Auftrag eines
Kulturhauses in Brandenburg. Die verwitterten Skulpturen im
Garten in Rahnsdorf verweilen unter Obstbäumen, fühlen sich
wohl. Die eine oder andere Arbeit wird sicherlich und
hoffentlich auch in Zukunft noch schöne Wiesen oder Parks zum
Aufstellen
und für uns zum Betrachten finden.
Christel Wollmann-Fiedler, 2005
|
Fotos: Christel Wollmann-Fiedler,
Berlin
|