Der Herkunft nach ist Fritz Cremer Westfale, am 22. Oktober 1906
geboren in Arnsberg an der Ruhr, aufgewachsen im Ruhrgebiet. In
Essen absolviert er eine Steinbildhauerlehre und besucht
Abendkurse an der Folkwang-Schule. 1926 wird er hier Mitglied
der Kommunistischen Arbeiterjugend und 1929 Mitglied der
Kommunistischen Partei Deutschlands. Sein soziales Gewissen hat
ihn zum Kommunisten gemacht, der er zeitlebens blieb.
1930 bis 1934 studiert Fritz Cremer bei Wilhelm Gerstel an der
Hochschule der bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg und von
1934 bis 1938 ist er bei ihm Meisterschüler.
1937 erhält Cremer den Großen Staatspreis der Preußischen
Akademie der Künste, verbunden mit dem Studienaufenthalt in der
Villa Massimo in Rom und mit Reisen nach Florenz und Neapel.
Viele Ausstellungsmöglichkeiten eröffnen sich ihm. Von 1938 bis
40 arbeitet er zusammen mit Gustav Seitz im Meisteratelier der
Preußischen Akademie der Künste. 1939 folgt ein weiterer
Studienaufenthalt in der Villa Massimo in Rom. Ab 1940 ist er
Soldat in Griechenland. 1942 bekommt Cremer den Rompreis mit
einem sechsmonatigen Studienaufenthalt in der Villa Massimo in
Rom, danach setzt er den Kriegsdienst fort. Bei einem
Fluchtversuch gerät Cremer in jugoslawische
Kriegsgefangenschaft. 1946 wird er entlassen und geht nach Wien.
Hier beruft man ihn zum Professor an die Hochschule für
angewandte Kunst. Für die Opfer des Faschismus schafft er auf
dem Wiener Zentralfriedhof ein Mahnmal. Es folgen
antifaschistische bzw. Antikriegsdenkmale in Wien, Mauthausen
Knittelfeld und Ebensee sowie einige nicht ausgeführte Entwürfe.
1950 wird Cremer zum korrespondierenden Mitglied der Akademie
der Künste in Berlin, es folgt die Umsiedlung und 1951 die
Berufung zum ordentlichen Mitglied der Akademie. 1954 wird er
zum Sekretär der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste
gewählt und 1974 zu ihrem Vizepräsidenten.
1952 beginnt er mit den Entwürfen zum Buchenwalddenkmal, das
1958 eingeweiht wird. 1953 wird der »Aufbauhelfer« vor dem
Berliner Roten Rathaus aufgestellt.
In den Jahren 1959 bis 60 arbeitet er am Mahnmal für das
Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 1963 bis 68 am
Brechtdenkmal, 1966 bis 69 am Spanienkriegsdenkmal, 1978 bis 72
am Denkmal für Galileo Galilei in Chemnitz und 1975 wird die
Skulptur »Aufsteigender« in New York vor dem UNO-Gebäude
aufgestellt.
1975/76 schafft Cremer den »Gekreuzigten« für die Kirche in
Berlin-Friedrichshagen.
Cremers plastisches Werk ist wesentlich durch die Sinnlichkeit
geprägt, die er zu beschwören weiß im Elend wie in der
Verheißung, er hat Leben begreiflich gemacht. Als Bildhauer hat
er beeindruckende Mahnmale gegen Krieg und Faschismus
geschaffen, hat die Denkmalskunst in Deutschland nach 1945
maßgeblich geprägt. Darüber hinaus war für Cremer der nackte
menschliche Körper ein unerschöpfliches Experimentierfeld zur
Erprobung plastischer Formen, die verschmolzen mit der
erotischen Ausstrahlung des Dargestellten.
Neben seinen Skulpturen hinterlässt er auch ein umfangreiches
grafisches Werk zu sozialen und literarischen Themen.
Breiten Raum nehmen die Beziehungen zwischen Mann und Frau ein.
Es sind Zeichnungen, Radierungen und Lithografien, thematisch
zum Teil verbunden mit den Skulpturen, aber auch völlig
eigenständig im Verhältnis zur Bildhauerei.
Zwiespältige Meinungen über die politische Rolle, die Cremer im
gesellschaftlichen System der DDR gespielt hat, beeinträchtigen
mitunter seine künstlerische Wertschätzung. Die Übersiedlung von
Wien nach Berlin (Ost) geschah in der Absicht, sich nach dem
Erlebnis Faschismus mit seiner Kunst in den Dienst einer neuen
Gesellschaft zu stellen.
Sein künstlerisches aber auch sein kulturpolitisches Wirken in
der Akademie der Künste, im Verband Bildender Künstler und in
anderen gesellschaftlichen Gremien verband er mit der Hoffnung
auf eine sozialere Welt.
Doch schon zu Beginn der 50er Jahre, insbesondere mit seinen
Entwürfen für das Buchenwalddenkmal, gerät auch Cremer in den
Verdacht, ein ›formalistischer‹ Künstler zu sein, obwohl er vom
Wesen seines Schaffens eher ein Traditionalist war und
zeitlebens seine ästhetische Entscheidung für eine
konventionelle Bildhauerei kultivierte. Erst in den 60er Jahren
überwindet er seine konfrontative Stellung zur Moderne, die auch
geprägt war durch die Ideologien des kalten Krieges, und rang
sich zu toleranteren Anschauungen durch.
Seine Einflussmöglichkeiten nutze Cremer immer, um sich für die
Freiheit der Kunst einzusetzen, sich den dogmatischen
Auffassungen des sozialistischen Realismus zu entziehen. Er
gehörte zu denen, die ihre öffentlichen Auftritte streitbar
nutzten.
Seine Rede auf dem V. Kongress des Verbandes Bildender Künstler
1964 manifestiert einen Schnittpunkt im Denken Cremers: »Wir
brauchen die freie Entscheidung über Stoff und Form jedes
einzelnen Künstlers« sagt er und weist damit die ständige
Einmischung der SED-Führung in die Belange der Kunst zurück.
1967 wird er in der Akte des Ministeriums für Staatssicherheit
als Oppositioneller, als Feind des Sozialismus und als
Aufwiegler charakterisiert.
Cremer konnte die Freiheit der Kunst in der DDR nicht erkämpfen,
ihre Spielräume auszudehnen, hat er zweifellos energisch
versucht bei allen Vorteilen, die dieses System für Cremer
dennoch bereithielt.
Im Ungewissen bleibt seine Entscheidung, im Krankenhaus liegend,
seine Unterschrift unter den Appell gegen die Ausbürgerung Wolf
Biermanns widerrufen zu haben. Nach diesem Schritt war er in den
intellektuellen Kreisen der DDR sehr isoliert.
Als die DDR zusammenbricht, ist Cremer schon schwer erkrankt. Am
1. September 1993 erliegt Fritz Cremer seinem Leiden.
Zweifellos ist er einer der bedeutenden figürlichen Bildhauer in
der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland. |